Anreise

Am 23. Januar ging es für mich und 5 andere Studierende der Ostfalia nach Port Elizabeth. Es sollte mein erster längerer Auslandsaufenthalt werden und dementsprechend groß war meine Vorfreude. Nachdem unser Anschlussflug in London 2h Verspätung hatte blieb uns in Johannesburg nicht mehr viel Zeit zum Umsteigen. Wir wussten allerdings, dass dort Helfer bereitstanden, die uns gegen ein Trinkgeld zu unserem Gate brachten. Allerdings fiel das „Trinkgeld“ mit 35 Euro dann etwas höher aus als erwartet.

Nach drei Flügen und fast 30 Stunden Reisezeit kamen wir endlich im sonnigen Port Elizabeth an. Von dort aus wurden wir mit dem Shuttle zu unserem Studentenwohnheim gebracht. Vor Ort wurden wir von sehr motivierten Mentoren empfangen, was für uns schon fast zu viel war nach der langen Reise. Das Einchecken nahm auch nochmal ein paar Stunden ein. Wie zuvor angegeben wohnte ich gemeinsam mit einer guten Freundin, in einer WG. Die ersten zwei Wochen blieb das auch erstmal so, da unsere anderen drei Mitbewohnerinnen noch auf sich warten ließen.

Welcome Week

Die Nelson Mandela University veranstaltete direkt am ersten Wochenende eine kleine Wanderung über den sogenannten „Sacremento Trail“ bis hin zum Sardinia Bay, an dem wir in den nächsten Monaten öfter waren, um den Sonnenuntergang über dem Meer zu genießen.

In der kommenden Woche lernten wir die Verantwortlichen des International Office der NMU und viele der anderen international Studierenden kennen. Es stellte sich heraus, dass diese leider zum größten Teil aus Deutschland kamen. Außerdem konnten wir unsere Kurse für das Semester wählen.  Ich entschied mich für drei Kurse aus dem Wirtschafts- und Logistikbereich, die wir auch zuvor mit der Ostfalia abgeklärt hatten. Des Weiteren wählte ich das Fach Community Service Learning. Dieses gibt es extra für internationale Studierende und ist eine Mischung aus der Mitarbeit in einer sozialen Einsatzstelle sowie Workshops und Diskussionen an der Uni als theoretischen und reflektierenden Teil.

Erste Eindrücke

Was mir sofort auffiel war das sonnige Wetter und der viele Wind, an den ich mich erst gewöhnen musste. Außerdem unterschätzte ich die Sonne und bekam erstmal einen Sonnenbrand. Die Art der Südafrikaner, denen wir begegneten, war ziemlich euphorisch und aufgedreht. Nicht nur die Mentoren des Studentenwohnheims sprühten nur so vor Energie, auch die Freiwilligen der Uni ließen nichts unversucht, um uns zum Lachen zu bringen. Außerdem war ich mir in keiner Sekunde bewusst, dass ich etwa 10.000km von daheim entfernt war. Port Elizabeth und gerade Summerstrand ist sehr modern und beim Einkaufen muss man sich lediglich an die verhältnismäßig hohen Preise für Süßigkeiten und das etwas kleinere Sortiment im Supermarkt gewöhnen. Dafür freute ich mich über das viele regionale Obst und Gemüse.

Das Studium an der NMU und Community Service Learning 

Das Studium ist etwas anders aufgebaut als an der Ostfalia. Daheim bin ich bisher abgesehen von Gesetzbüchern gut ohne Bücher ausgekommen. An der NMU brauchte ich jedoch für jedes Fach einen ziemlich dicken Wälzer. Zum Glück konnte man diese gebraucht von anderen Studierenden kaufen. Ohne Buch wäre man in den meisten Fächern nicht zurechtgekommen, da Folien nicht überall hochgeladen wurden und sich die Vorlesungen sehr stark am Buch orientieren. Außerdem ist ein Semester in zwei „Terms“ aufgeteilt. In jedem Term schreibt man pro Fach mindestens einen Test. Dazu kommen noch schriftliche Hausarbeiten und zum Ende des Semesters eine 3-stündige Klausur. Das hieß für mich, dass viel Disziplin verlangt wurde, denn der Strand war direkt vor der Haustür und die Temperaturen meist zwischen 20 und 30 Grad Celsius, denn wir befanden uns im südafrikanischen Sommer.

Beim Community Service Learning entschied ich mich für die Einsatzstelle „Victory Kids“. Dabei handelt es sich um eine Vorschule im Stadtteil Newton Park. Diese ist speziell für Kinder mit geistigen Einschränkungen. Die Kinder lernen dort in Kleingruppen, die eher nach Fähigkeiten als nach dem Alter eingeteilt sind. Im Vordergrund steht dabei, dass die Kinder ihre Fähigkeiten nutzen lernen und auch der enge Austausch mit den Eltern, um diese bestmöglich zu unterstützen. Leider konnte ich die Einsatzstelle nur 4x besuchen und beim Unterricht oder der Betreuung der Kinder unterstützen. Für den Transport zu der Einsatzstelle stellt die NMU extra einen Shuttleservice zur Verfügung. Sam, der Fahrer, ist sehr gesprächig und erzählt gerne von der Entwicklung in Südafrika und so konnte ich auch von ihm noch ein paar Eindrücke gewinnen.

Wochenendausflüge

Bereits in Term 1, also der ersten Hälfte des Semesters konnte ich mehrfach die Gelegenheit nutzen, um über das Wochenende wegzufahren. Unser erster Trip ging in großer Mädels Runde nach Plettenberg. Wir besuchten den Tsi Tsi Kamma Nationalpark und wanderten bei knappen 40 Grad über den Robberg. 

Weiter ging es nach einem Test am Samstagmorgen in Richtung Addo Nationalpark, dort verbrachten wir eine Nacht in einer kleinen Lodge, die eigene Zebras hatten. Wir machten eine geführte Tour am frühen Morgen bevor wir den Park mit unseren eigenen Autos erkundeten. Es war beeindruckend wie nah unter anderem die Elefanten, Zebras und auch Hyänen den Fahrzeugen kamen.

Kurz vor Ende des Terms konnte ich zum Glück noch drei Freunde motivieren ins „Valley of Desolation“ zu fahren. Dies befindet sich etwa drei Stunden nördlich von Port Elizabeth und auf der Strecke ist links und rechts nur karge Landschaft. Wir wohnten in einer kleinen Hütte auf einer 7000ha großen Farm, die uns der Eigentümer am nächsten Morgen auf einer Jeep Tour zeigte.  

Plötzliche Planänderung

Eigentlich wollten mich in den Ferien zwischen Term 1 und 2 Freunde aus Wolfsburg besuchen und zusammen hätten wir die Garden Route erkundet. Leider verkündete Präsident Ramophosa kurz zuvor aber eine Einreisesperre für etliche Länder, unter anderem Deutschland. Das war einer der Auslöser, ab dem Viele vermehrt über die Heimreise nach Deutschland nachdachten. Auch die NMU empfahl uns nun nach Hause zu reisen, da sie nicht wusste, wie sich alles entwickeln würde und eine Isolation im Wohnheim nicht sichergestellt werden konnte. Alle Wohnheime, die direkt zur NMU gehören, wurden geschlossen. Unseres gehörte, zum Glück für uns, einem privaten Unternehmen.

So richtig trennen konnte ich mich aber noch nicht von dem Land. Ich hatte ja fast noch nichts gesehen. Deshalb startete ich kurzerhand mit zwei Freundinnen einen Roadtrip. Um wenigstens noch einen Punkt auf der To-do-Liste abzuhaken, ging es direkt zum Bungee Jumpen in den Tsi Tsi Kamma Park.

Da meine Gedanken ziemlich verstreut waren, war die eigentliche Angst nur kurz vorm Absprung zu spüren. Wir trafen außerdem einige deutsche Touristen, die sich noch keinerlei Sorgen bezüglich ihrer Heimreise machten. Unsere Unterkünfte buchten wir immer spontan, da wir noch nicht genau wussten, wann wir wieder zurück nach Port Elizabeth fahren würden. Unsere Zwischenstopps waren Plettenberg, Knysna, Wilderness, Oudtshoorn und zurück über Jeffreys Bay.  Die Natur in Wilderness und auf der Strecke Richtung Norden nach Oudtshoorn hat mir besonders gut gefallen.

Auf unserer ganzen Route konnten wir feststellen, dass die Südafrikaner das Corona Virus sehr ernst nahmen. In jedem Laden mussten wir uns vor Betreten die Hände desinfizieren, in Restaurants gab es Social-distancing-Tische und wir mussten überall unsere Kontaktdaten hinterlassen.  Allerdings verfolgten wir stets und ständig die Nachrichten und beobachteten, dass Flüge gestrichen wurden oder gar ganze Fluggesellschaften ihren Betrieb einstellten. Daher beschlossen auch wir drei, dass wir lieber nach Hause fliegen wollten. Das Umbuchen unserer für Juli geplanten Flüge gestaltete sich dann allerdings etwas schwierig. Erstens waren unsere Flüge zusammen mit zwei anderen Freunden gebucht und liefen über einen Kommilitonen, der noch nicht heimfliegen wollte. Des Weiteren konnte auch keiner aus unserer Familie anrufen und so mussten wir stetig schauen, genug Geld auf unserer südafrikanischen Sim-karte zu haben. Zum Glück war das Telefonieren nach Deutschland verhältnismäßig günstig. Bis wir aber unsere Flüge endlich umbuchen konnten vergingen noch ein/ zwei Tage und der Flug, den wir am darauffolgenden Mittwoch nehmen wollten, war somit schon ausgebucht. Es gab aber noch einen am Sonntag danach, auf den wir uns setzen ließen. Als wir am Montag wieder in Port Elizabeth und in unserem Studentenwohnheim waren, fühlte ich mich doch etwas besser.

Ein paar internationale Studierende, waren zwar noch entlang der Garden Route unterwegs, aber das gab letztendlich nur Ärger, weil die Uni eigentlich empfohlen hatte nicht mehr zu reisen und den Studenten teilweise sogar untersagte, wieder ins Wohnheim zu gehen. Im benachbarten Wohnheim kamen einige Studenten vor Abreise nach Deutschland gar nicht mehr in ihre Zimmer und Freunde mussten für sie packen.

Erste Rückholflüge des Auswärtigen Amtes

Am Dienstag bekamen wir eine Mail des Auswärtigen Amtes, dass es zur Unterstützung des regulären Flugverkehres bereits am Donnerstag und Freitag jeweils einen Condor Flieger von Kapstadt aus geben sollte.  Diese Tickets konnte man regulär buchen. Da aber keine genaue Zeit feststand, wann die Flüge online kommen würden, saßen wir den ganzen Tag am Rechner und ergatterten letzten Endes Tickets für den Flieger am Freitag, den 27.03. Es war uns sicherer nach Kapstadt zu fahren, einer Stadt, in der sich viele Touristen befanden als nach Johannesburg, von wo aus unser regulärer Flieger am Sonntag gehen sollte. Dass auch dieser Condor Flieger auf Grund des am 27.03. in Kraft tretenden nationalen Lockdown entfallen sollte, ahnten wir noch nicht.

8 Tage Zwangsaufenthalt in Kapstadt

Am 26.03. fuhren wir dann zu neunt auf drei Autos verteilt nach Kapstadt. Auf der Fahrt dorthin kam dann der erste Dämpfer. Während wir mit der Botschaft beziehungsweise der Corona Infoline telefonierten wurde uns gesagt, dass unser Flieger für Freitag gecancelt wurde. Dies bestätigte sich dann auch am Tag darauf. Des Weiteren hatte unser für die Nacht gebuchtes Hotel schließen müssen. Somit hatten wir kurzzeitig weder Unterkunft noch einen Flug nach Hause. Es hieß also Ruhe bewahren und neu planen. Wir hatten unheimliches Glück, dass zwei weitere Studierende bereits in Kapstadt in einem Hotel waren. Die Beiden konnten für uns klären, dass auch wir, unter dem Vorwand, dass morgen unser Flieger gehen würde, einchecken konnten. Einmal eingecheckt durften wir laut Tourismusgesetz nicht mehr vor die Tür gesetzt werden- egal wie lange wir feststecken würden. Das Hotel war mit ca. 20€ die Nacht inklusive Frühstück zum Glück recht günstig. Unser ursprünglicher Plan nach Johannesburg zu fliegen, hätte uns an die 100€ die Nacht gekostet.

 Im Laufe der kommenden Woche gab es mehrere Hochs und Tiefs. Nach der ersten Nacht im Hotel befanden wir uns im Lockdown, das hieß, dass man das Haus nur noch für den Einkauf verlassen durfte. Unser Hotel hatte zum Glück eine Dachterrasse, so dass wir trotzdem sehr viel an der frischen Luft waren. Mittlerweile bekamen wir fast täglich Emails vom Auswärtigen Amt.  Jedem, der sich online auf die Rückholliste geschrieben hatte wurde versprochen, dass er nach Hause kommen würde. Es stand nur noch nicht fest wann. Die Flughäfen waren komplett geschlossen. Allerdings gab es eine Erinnerung daran, alle Daten auf der Liste zu aktualisieren. Das heißt vor allem anzugeben, wo man sich aktuell befand und ob man die Möglichkeit hatte eigenständig zum Flughafen kommen zu können. Im Südafrikanischen Fernsehen verkündete der Transportminister, dass es ab Dienstag losgehen würde, allerdings widerlegte uns das die Botschaft direkt per Mail. Irgendwann hieß es dann „voraussichtlich ab Ende der Woche“. Die Botschaft wollte sich nicht festlegen, da im Hintergrund sicherlich sehr viele Hebel in Bewegung gesetzt werden musste. Immerhin stand fest, dass die Flüge von South African Airlines durchgeführt werden sollten. Am Mittwoch bekamen wir dann die erste Mail, in der es hieß, dass wir für einen Flieger am Freitag, den 03.04. vorgesehen sind. Allerdings hatte auch dieser Flieger noch keine Genehmigung. Wir mussten einmal bestätigen, dass wir den Rückflug annehmen. Generell war ich froh, dass wir alle mit einem Laptop unterwegs waren, da dies den Schriftverkehr deutlich erleichterte. Am Donnerstagabend erhielten wir dann unsere Tickets von South African Airline und einen Passierschein von der deutschen Botschaft, falls wir auf dem Weg zum Treffpunkt kontrolliert werden sollten. Wir durften unter keinen Umständen direkt zum Flughafen fahren. Treffpunkt war das Fußballstadion in Kapstadt, wo wir uns bis 15Uhr einfinden mussten. Dort dauerte es etwa 3h in denen unsere Pässe kontrolliert wurden und unsere Körpertemperatur gemessen wurde. Danach gab es eine kleine Mahlzeit bevor wir in einer Buskolonne zum Flughafen fuhren. Der Check-In erfolgte wie immer, nur dass eben nur Personen für unseren Flieger am Flughafen waren. Planmäßig um 22Uhr hob unser Flieger nach Frankfurt ab. Ich glaube ich war noch nie so froh in ein Flugzeug zu steigen. Mal davon abgesehen, dass die Stewardessen in Ganzkörpermontur durch das Flugzeug liefen, verlief der Flug normal und es gab auch mehrere Mahlzeiten an Board.

Zurück in Deutschland

In Frankfurt angekommen mussten wir in 40er Gruppen mit jeweils 5min Abstand aussteigen, aber danach interessierte es keinen mehr, dass wir aus dem Ausland kamen. Der Flughafen war ziemlich leer und keiner des Personals trug Schutzmasken oder Handschuhe. Wir nutzten das Angebot der deutschen Bahn und fuhren kostenlos mit dem Zug nach Hause. Ganz nach Deutscher Bahn Manier hatte mein Anschlusszug in Hannover über 60min Verspätung- ein Stückchen Normalität gab es also auch noch in Deutschland.

Die nächsten Tage musste ich erst einmal verarbeiten, dass ich nicht mehr in Südafrika war und dort auch erstmal nicht wieder hinkommen würde. Allerdings war und bin ich immer noch froh, dass ich heimgeflogen bin. Meine Familie hätte sich sonst große Sorgen gemacht und Südafrika befindet sich immer noch im Lockdown. Zwar wird dieser immer weiter abgemildert, aber ich bin zum Reisen und Kennenlernen der Kultur nach Südafrika geflogen, nicht um vor Ort ein Onlinestudium im Studentenwohnheim durchzuführen. Das mache ich jetzt von Deutschland aus. Zum Glück macht dies die NMU und das internationale Office möglich.

Rückblickende Gedanken

Auch wenn mein Auslandssemester so früh geendet hat bin ich froh, dass ich es angetreten habe. Ich habe auch in den 2 Monaten so viele tolle Momente sammeln können und denke gerne zurück an die Sonnenuntergänge am Sardinia Bay, das Baden im Indischen Ozean, die Spaziergänge zur Uni, die Touren mit unserem Mietwagen, von der Uni oder dem Wohnheim organisierte Wanderungen, gemeinsames Kochen mit neu gewonnenen Freunden, zufällige Gespräche mit Studierenden oder gar Dozenten auf dem Campus, Karaoke Abende, und und und..

Ich hoffe, dass ich in den nächsten Jahren noch einmal die Chance bekomme, dieses schöne Land zu bereisen und etwas mehr zu sehen.

Bis dahin

Eure Sarah