Erfahrungsbericht von Vivian Bochem über ihr Auslandssemester an der NOVA School of Business and Economics in Lissabon, Portugal

 

Nach einigen Monaten Vorbereitungszeit und erwartungsvoller Vorfreude ging es für mich am 27.01.2018 los nach Lissabon. Ich flog von Berlin aus in die Hauptstadt Portugals, um dort fünfeinhalb Monate zu verbringen. In Lissabon angekommen, fuhr ich zu meinem neuen Zuhause, einer WG mit zwei Portugiesinnen und zwei Brasilianern – perfekt also, um meine Sprachkenntnisse zu verbessern! Ich wurde gleich herzlich von meinen Mitbewohnern empfangen und konnte mich schnell gut in der WG einleben.

Nach wenigen Tagen des Einlebens begann auch schon das Semester an der Universität, der NOVA School of Business and Economics, welche eine eigenständige Fakultät der Universidade NOVA de Lisboa ist. Das Semester war in zwei Hälften aufgeteilt, in denen ich verschiedene Kurse belegen konnte. Da ich mein Auslandssemester als „Freemover“, also unabhängig von Partnerschaften meiner Heimathochschule, der Ostfalia in Wolfsburg, bestritt, hatte ich die Möglichkeit, meine Kurse frei nach meinen Interessen zu wählen.

In der ersten Hälfte des Semesters belegte ich die Module „Corporate Social Responsibility“, „Sustainable International Business“ und „Global Human Resource Management“. In der zweiten Semesterhälfte wählte ich „Management of Non-Profit Organizations“ und „Product Design and Development“. Parallel zu diesen Kursen belegte ich über das gesamte Semester einen Portugiesisch-Sprachkurs, um das Niveau B1 zu erreichen.

Campusplan der Nova School

Die erste Semesterhälfte verging wie im Flug, da die Module sehr anspruchsvoll, bzw. arbeitsintensiv waren und ich mich an der neuen Uni erst einmal eingewöhnen musste. Somit verbrachte man fast die gesamten Tage in der Uni mit Gruppenarbeiten, Hausarbeiten und natürlich Vorlesungen. Das System an der Universität unterschied sich sehr von meiner Heimathochschule, da für jedes Modul viele verschiedene Prüfungsleistungen erwartet und bewertet wurden. Zu jedem Modul mussten eine oder mehrere Hausarbeiten verfasst werden, eine meist sehr zeitaufwendige Gruppenarbeit angefertigt und präsentiert sowie eine Klausur geschrieben werden. Auch die Vorlesungen waren sehr interaktiv gestaltet, sodass ich den Eindruck hatte, immer sehr viel aus den Veranstaltungen mitzunehmen. Die Kurse waren interessant und bestätigten mich in meinem Vorhaben, eine Masterarbeit in der Themenrichtung des Corporate Social Responsibility anfertigen zu wollen.

Nach dem ersten Semesterblock gab es eine Woche Ferien, die ich dafür nutzte, etwas mehr von Portugal zu entdecken. Ich entschied mich für einen mehrtägigen Ausflug nach Porto, die etwas kleinere, aber sehr hübsche Stadt im Norden Portugals, die insbesondere für ihren Portwein in der Welt bekannt ist. Zu meinen Reisen berichte ich später etwas mehr. Denn die zweite Semesterhälfte stand direkt vor der Tür und verging nicht minder schnell als die erste, da ein großer Workload in wenigen Wochen zu erledigen war. Ich entschied mich, einen Kurs weniger zu belegen als in dem ersten Term, da weniger interessante Kurse angeboten wurden und ich schon genug Credit Points für meine Heimathochschule gesammelt hatte.

Außerdem war es mir wichtig, mich nun mehr auf das Portugiesisch lernen zu konzentrieren, was ich zugegebenermaßen in den ersten Wochen stark vernachlässigt hatte. Der Portugiesisch Kurs war weniger intensiv als erhofft, da er nur zweimal pro Woche für knapp zwei Stunden stattfand und die Anzahl der Schüler im Kurs mit ca. zwanzig relativ groß war für einen Sprachkurs. Ich befasste mich also nun mehr im Selbststudium mit der Sprache und übte vor allem mit meinen brasilianischen Mitbewohnern und einem portugiesischen Sprach-Tandempartner. Ich denke, dass mir dies am besten geholfen hat, meine Sprachkenntnisse zu verbessern.

Auch die Vorlesungen eröffneten mir im Allgemeinen einen neuen Horizont, da viele Themen und Probleme der heutigen Welt betrachtet wurden, die ich in meinem bisherigen Studium nicht integrieren konnte. Insbesondere die Module „Sustainable International Business“ und „Management of Non-Profit Organizations“ förderten meinen Blick für „wichtigere Dinge“ in der Welt als Autos und die Probleme einer Wohlstandsgesellschaft wie Deutschland. Es ging z.B. um Social Businesses in Afrika und Kinderarbeit im Kongo oder in China, welche nur Beispielthemen sind um zu erfahren, wie komplex unsere Weltwirtschaft ist und dass es immer zwei Seiten einer Medaille gibt.

Aber auch in Bezug auf Arbeitsmethoden und Internationalität hatte die Universität, die die dreifache internationale Zertifizierung trägt, sehr viel zu bieten. Das große Manko jedoch war der Campus selbst, welcher aus einem alten Gebäude bestand, das so einige Mängel aufwies und insbesondere viel zu klein war für die Anzahl der Studierenden. Jedoch baut die NOVA SBE zurzeit einen neuen, hochmodernen Campus in Carcavelos, einem Ort an der Küste zwischen Lissabon und Cascais, der auch von der portugiesischen Regierung stark gefördert wird. Im Rahmen eines Kurses besuchten wir die Baustelle des neuen Campus und ich konnte einen Eindruck gewinnen, wie angenehm die Studienbedingungen dort sein werden. Es wird dort auf jeden Fall genügend Platz geben und alles, was das Studentenherz begehrt, sogar einen direkten Strandzugang!

Nun möchte ich etwas mehr auf Lissabon und meine Reisen in Portugal eingehen. In Lissabon wohnte ich bereits für einen einmonatigen Sprachkursaufenthalt, dementsprechend kannte ich die Stadt schon ganz gut. Jedoch gibt es natürlich abseits der wichtigsten Sightseeing Orte wie dem Castelo de São Jorge, dem Elevador de Santa Justa, der Praça do Comércio und dem Torre de Belém noch viele andere Orte zu entdecken. Besonders gern besuchte ich die verschiedenen Aussichtspunkte in der Stadt (Miradouros), denen man überall begegnet, wo man sich auf einem der Hügel der Stadt befindet. Denn Lissabon ist die Stadt der „sete colinas“, also sieben Hügel.

Wer nach Lissabon kommt, sollte sich also bequeme und feste Schuhe mitbringen, ansonsten sind einige Wege doch sehr beschwerlich. Ich hatte außerdem eine etwas unglückliche Zeit erwischt, was das Wetter betrifft. Von Anfang März bis ca. Anfang Mai gab es eine Regenphase in Lissabon, wie sie die „lisboetas“ lange nicht gesehen haben. Es fiel oftmals so viel Regen, dass das Wasser auf den Gehwegen und in den Eingängen der U-Bahn stand und man große Gefahr lief, auszurutschen. Denn das Pflaster in Lissabon ist alles andere als geeignet für Regen, da es sehr glatt ist und das Wasser nicht gut abfließen kann. Besonders für ältere Menschen war schon der Gang zum Supermarkt wirklich nicht leicht.

Lissabon

Lissabon hat außerdem eine ausgeprägte Kaffeekultur, da viele Portugiesen zu jeder Tageszeit vor den „Pastelarias“ (eine Mischung aus Café, Bäcker und Bistro) gemütlich ihren Kaffee trinken und sich mit Bekannten zu einem Gespräch treffen. Dies deutet schon an, dass die Uhren in der Stadt etwas langsamer ticken als in anderen europäischen Großstädten. Und das ist wirklich so, denn die Zeit für ein Gespräch oder einen Kaffee oder andere angenehme Auszeiten nimmt man sich gerne und man hetzt sich nicht durch die Straßen und U-Bahnstationen, wie es beispielsweise die Londoner tun.

Wenn man zu spät zu einem Treffen erscheint, dann ist das in Portugal ganz normal und gehört zum guten Ton. Meistens ist eine halbe Stunde Verspätung noch ganz normal, woran ich mich mit der Zeit auch sehr gut gewöhnt habe und mich jetzt in Deutschland wohl erstmal wieder umstellen muss. Außerdem erwähnenswert ist natürlich das Nationalgericht Portugals, der Bacalhau, welcher jedoch nicht in portugiesischen Gewässern, sondern in den nördlichen Gewässern Europas gefischt wird.

Lissabon II

Ein Sprichwort in Portugal sagt, es gäbe 365 Gerichte mit Bacalhau – für jeden Tag im Jahr eines. Ich habe zwar nicht 365 auf einmal sehen können, glaube jedoch, dass die Anzahl der Variationen nicht weit davon entfernt sein kann. Viel besser schmeckte mir jedoch die Pastel de Nata, ein kleiner Kuchen mit einer Art Pudding-Ei-Füllung. Nicht nur diese, auch andere süße Köstlichkeiten kann man in den Pastelarias in Portugal an jeder Ecke bekommen und genießen!

Außerhalb von Lissabon kann ich, wie bereits erwähnt, einen Besuch in Porto sehr empfehlen. Die Stadt ist zwar auch schon sehr touristisch, jedoch hat sie noch einen anderen Charme als Lissabon, da sie kleiner und familiärer ist und man mehr Hafenstadt-Atmosphäre verspürt. Besonders interessant fand ich auch einen Ausflug ins Douro Tal, wo der weltbekannte Portwein und auch andere Weine angebaut werden.

In dem Ort Vila Nova de Gaia gegenüber von Porto, auf der anderen Seite des Douros, sind die großen Weinkeller für den Portwein angesiedelt und prägen durch ihre großen, an die USA erinnernden Schriftzüge das Stadtbild. Nicht weit von Porto, an der Küste in Richtung Süden, besuchte ich außerdem das Städtchen Aveiro, welches als das „Venedig Portugals“ bekannt ist. In der Tat gibt es dort Kanäle, auf Holzpfeilern gebaute hübsche Häuser und kleine traditionelle Boote. Früher war die Stadt für die Förderung von Meersalz aus der angrenzenden Lagune bekannt und von großer wirtschaftlicher Bedeutung für Portugal.

Ich besuchte auch die Universitätsstadt Coimbra, welche ebenfalls recht klein, aber fein ist. Sie beherbergt die älteste Universität Portugals, welche auch eine der ältesten Europas ist. Einen kurzen Besuch ist die Stadt in jedem Fall wert. Leider habe ich es nicht mehr geschafft, in den höheren Norden nach Guimarães und Braga zu fahren, diese Städte stehen aber für spätere Besuche in Portugal auf meiner Liste. Einen Tagesausflug unternahm ich auch in die schöne mittelalterliche Stadt Évora im Alto Alentejo, der „oberen Region jenseits des Flusses Tejo“. Sie gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe und versprüht wirklich ein mittelalterliches Flair.

Insbesondere die Knochenkapelle und die Kathedrale sind sehr sehenswert und ein Bummel durch die Gassen der Stadt wirkt sehr entschleunigend. Nach dem Ende meines Semesters an der Uni belegte ich noch einen Konversationskurs bei einer Non-Profit Organisation und einen kleinen Kurs an einer Sprachschule, um das Portugiesisch weiter aktiv zu üben, auch wenn ich es inzwischen im Alltag eigentlich nur noch benutzte.

Nach ein paar Wochen verabschiedete ich mich dann von Lissabon in Richtung Süden. Es fühlte sich schon an dem Punkt so an, eine zweite Heimat zu verlassen. Ich werde die Stadt mit ihrer Lebensweise und insbesondere meine brasilianischen Mitbewohner sehr vermissen. Aber ich verabschiedete mich sicher nicht für immer!

Baixo Alentejo

Zunächst reiste ich dann ein paar Tage alleine durch den Baixo Alentejo, eine Region die bei vielen Deutschen sicher unbekannt ist – zu Unrecht. Denn die Region zeigt viel Ähnlichkeit mit der italienischen Toskana, landschaftlich und landwirtschaftlich. Ich übernachtete in Beja, einer Kleinstadt mitten im Baixo Alentejo, die von vielen Wein- und Olivenhainen umgeben ist. Dort besichtigte ich auch einen Familienbetrieb, der Olivenöl und Wein herstellt. Die kleinen Städtchen im Alentejo haben meist eine Burg und viele kleine Museen und Kirchen zu besichtigen. Außerdem gibt es oft archäologische Ausgrabungsstätten zu erkunden. Nicht nur wegen dieser fühlt man sich in die Vergangenheit zurück versetzt, denn das Leben auf dem Land ist noch sehr ursprünglich und ruhig. In einigen Dörfern gibt es sogar noch Gebäude, in denen die Frauen ihre Wäsche per Hand waschen, während die älteren Herren im Schatten ihrer kleinen weißen Häuser sitzen und Karten oder Schach spielen. Ich habe diese ländliche Idylle sehr genossen!

Danach besuchte ich mit meinem Freund die Algarve, die unendlich viele schöne Strände zu bieten hat. Ein Besuch am südwestlichsten Punkt Kontinentaleuropas, dem Cabo de São Vicente, durfte natürlich auch nicht fehlen! Von dort schickte ein früherer König Portugals, Heinrich der Seefahrer, seine Schüler auf die hohe See und auf die großen Reisen, um neues Land zu entdecken. Im Allgemeinen ist die Seefahrt ein omnipräsentes Thema in Portugal, denn das Land scheint stolz zu sein auf seine „Entdecker“.

Insbesondere der Seefahrer Vasco da Gama, welcher den Seeweg nach Indien fand, wird an vielen Orten geehrt, zum Beispiel durch Denkmäler. Auch in den Fliesen-Wandbildern, den „Azulejos“, wird das Thema der Seefahrt in so gut wie jedem Ort Portugals veranschaulicht und stellt immer einen schönen Blickfang dar, den man bei einem Stadtspaziergang so nicht erwartet. Nachdem wir einige – endlich warme und sonnige – Tage an der Algarve genossen hatten, ging es dann zurück nach Deutschland.

Strand in Portugal

Die sogar höheren Temperaturen als in der überwiegenden Zeit meines Portugal-Aufenthalts machen das wieder Einleben auf jeden Fall angenehmer als erwartet. Jedoch werde ich wohl noch lange „saudades“ (Sehnsucht) haben, nach dem Land in dem die Zeit eine untergeordnete Rolle spielt und in dem die Sonne, wenn sie endlich scheinen darf, so sehr strahlt wie nirgendwo sonst.

 

Até logo, Portugal!

Vivian Bochem